Stand: 04.08.2023 10:45 Uhr
Sara Däbritz stand am Donnerstag (03.08.2023) bei der Frauen-WM im Spiel gegen Südkorea zum 100. Mal für die deutsche Nationalmannschaft auf dem Platz. Dieses Jubiläum hatte sich die Mittelfeldspielerin aber ganz anders vorgestellt.
Von Florian Neuhauss, Brisbane
Die 28-Jährige schlug kurz die Augen nieder. Eigentlich wollte sie in Brisbane an ihrem großen Tag einen weiteren Schritt in Richtung WM-Titel machen. Stattdessen musste sie nun Worte finden, warum Deutschland gegen die bis dahin noch punkt- und torlosen Asiatinnen nicht gewonnen hatte und nach der Vorrunde ausgeschieden war.
"Das ist eine Katastrophe", entfuhr es Däbritz. Das Aus sei ein "Schock", eine "totale Enttäuschung". Die Olympiasiegerin von 2016 hatte zuletzt schon erklärt, dass es immer schwieriger werde, im modernen Frauenfußball Titel zu gewinnen. Wie weit das DFB-Team in Australien vom Triumph entfernt bleiben würde, kommt allerdings einem Albtraum gleich.
Immer wieder Zweifel an Däbritz
Eigentlich gehört Däbritz spätestens mit dem Einzug in den erlauchten 100er-Club zu den ganz Großen des deutschen Frauenfußballs. Ihre Vita lässt auf jeden Fall keinen Zweifel an ihrer Qualität zu: Über den SC Freiburg, Bayern München und Paris Saint-Germain ist sie im vergangenen Jahr zum Starensemble nach Lyon gewechselt und hat sich nach langer Verletzungspause auch bei Olympique behauptet.
In der Nationalmannschaft ist Däbritz ohnehin gesetzt. Trotzdem gibt es immer wieder Zweifel an der gebürtigen Oberpfälzerin. Denn ein Star wie eine Alexandra Popp, die mit 131 Spielen als einzige Aktive noch vor ihr steht und die mit ihren Toren ganz anders wahrgenommen wird, ist sie nicht.
Die Frau mit der 13 kann irgendwie alles
Däbritz glänzt selten selbst, sorgt mit ihren Aktionen und ihrem Spiel aber dafür, dass andere glänzen können. Sie ist immer viel unterwegs, stopft Löcher im Mittelfeld und spielt eher den vorletzten Pass, als sich selbst in die Scorerliste einzutragen. Wie im Spiel gegen Kolumbien (1:2), als die Nummer 13 plötzlich mit ihrem Zuspiel auf Lea Schüller wie aus dem Nichts das Tempo anzog. Schüller leitete gekonnt weiter und Lena Oberdorf holte den Elfmeter raus. So war es auch gegen Südkorea, als sie den Ausgleich mit einer Verlagerung einleitete.
Seit zehn Jahren spielt Sara Däbritz für die Nationalmannschaft.
Im ersten Gruppenspiel gegen Marokko (6:0) hatte Däbritz sogar selbst getroffen. Mit der ganz feinen Klinge hatte sie vor Torhüterin Khadija Errmichi die Nerven behalten und den Ball ins Tor gechipt. Der Schönheitsfehler: Däbritz hatte beim Pass im Abseits gestanden. Ihre 17 Treffer für die A-Nationalmannschaft zeigen aber, dass sie wirklich weiß, wo das Tor steht - und fußballerisch alles kann.
Viele Fans: 225.00 Follower bei Instagram
Weil sie in Lyon ein bisschen außerhalb des deutschen Radars spielt, könnte man denken, der Frauenfußball-Boom fände ohne sie statt. Aber Däbritz ist mittendrin. 225.000 Follower hat sie bei Instagram. Dass sie im vergangenen Jahr der Zeitschrift "Vogue" ein großes Interview gegeben hat und zum Fotoshooting gebeten wurde, kommt nicht von ungefähr: "Würde auch auf der Pariser Fashion Week eine gute Figur machen - sie ist modisch voll auf der Höhe", schrieb Giulia Gwinn, die es nach ihrem Kreuzbandriss nicht zum Turnier geschafft hatte, in der "Bild" in ihrer Vorstellung des WM-Teams.
Sara würde auch auf der Pariser Fashion Week eine gute Figur machen - sie ist modisch voll auf der Höhe.
Giulia Gwinn
Däbritz ist Olympiasiegerin, Europameisterin, deutsche und französische Meisterin und gewann mit Paris zudem den Pokal. Sie könnte laut über ihre Erfolge reden oder auf dem Platz ihre (jüngeren) Mitspielerinnen zusammenstauchen, wenn es mal nicht so läuft. Aber das passt nicht zu Däbritz, die dem "kicker" vor der WM sagte: "Ich bin nicht wirklich der Lautsprecher. Durch meine Art und Weise schaffe ich es aber trotzdem, an die Menschen heranzukommen, einen positiven Einfluss auf sie zu haben."
Däbritz macht es auf ihre eigene Art
Sich selbst beschrieb sie als "sehr herzlich, authentisch und einen offenen Menschen". Es sei ohnehin sehr wichtig, verschiedene Persönlichkeiten im Team zu haben. "Man sollte sich nie verstellen - weder auf noch neben dem Platz. Laute Spielerinnen sollen laut sein, leise Spielerinnen sollten leise sein. Ich versuche, das auf meine Art zu machen."
Und das macht sie, Däbritz geht unbeirrt ihren Weg. In der Liste der DFB-Rekordspielerinnen hat sie bereits große Spielerinnen wie Inka Grings, die bei der WM als Trainerin der Schweiz dabei ist, oder Maren Meinert hinter sich gelassen. Auch Saskia Bartusiak, Martina Müller, Pia Wunderlich, Simone Laudehr und Heidi Mohr dürfte sie schon bald überholen.
Ab Ende September gegen Dänemark, Island und Wales werden für die 28-Jährige in der Nations League, in der es um die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024 in Paris geht, sicher weitere Partien hinzukommen.
Vielleicht das traurigste Jubiläum aller Zeiten
An ihrem verkorksten Ehrentag, der womöglich das traurigste Jubiläum in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs darstellt, konnte sich Däbritz aber mit alldem noch nicht beschäftigen. Vor dem Duell mit Südkorea hatte sie es noch als "Meilenstein" bezeichnet, dass sie nun das 100. Mal für Deutschland auflaufen würde.
Nach dem Spiel war sie konsterniert: "Wir haben alles versucht und gemacht, aber es hat einfach nicht gereicht", sagte Däbritz und fügte traurig hinzu: "Wir wollten unbedingt ins Achtelfinale einziehen und hatten den Traum, das Turnier zu gewinnen. Stattdessen sind wir ausgeschieden und fahren nach der Vorrunde nach Hause. Das ist eine Katastrophe und tut verdammt weh."
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Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau FIFA Frauen WM | 02.08.2023 | 08:35 Uhr