Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro stehen auf der Kippe. Deutschland liegt gegen Australien zur Halbzeit mit 0:2 zurück, dann aber dringt Sara Däbritz in den Strafraum ein. Perfekt getimt nimmt sie den Pass von Alexandra Popp auf und zaubert den Ball mit dem Außenrist über die Torhüterin -technisch anspruchsvoll und mit brillantem Instinkt. Es ist der Startschuss für Deutschlands Comeback im Spiel und die Wiederbelebung des olympischen Traums.
Zwei Wochen später trägt Däbritz im Alter von nur 21 Jahren eine Goldmedaille um den Hals, nachdem sie in Brasilien ein bahnbrechendes Turnier gespielt hat. "Es warein unglaubliches, unvergessliches Erlebnis", erzählt sie der DW. "Das war ein absolutes Highlight meiner Karriere."
Mit ihren 28 Jahren ist Däbritz neben Kapitänin Popp die erfahrenste deutsche Spielerin. Sie wird bei der WM 2023 mit ziemlicher Sicherheit ihr 100. Länderspiel absolvieren. Es ist ihr dritter Versuch, die Trophäe zu gewinnen, in einer Karriere, die bereits mit etlichen Auszeichnungen geschmückt ist.
Eine Legende als Vorbild
2016 in Brasilien zeigte Däbritz früh, was in ihr steckt, was für ein Potenzial sie mitbringt. Im Halbfinale gegen Kanada schlenzte sie den Ball mühelos mit rechts in die untere Ecke. Beidfüßig war sie schon damals, so wie die deutsche Legende, an der sie sich orientiert hat: "Mein Vorbild war immer [Michael] Ballack, als ich aufwuchs. Deshalb trage ich auch so gerne die Nummer 13", sagt sie. "Ich habe es geliebt, seine Spiele und Videoclips von ihm beim Fußballspielen zu sehen. Ich bewunderte seinen gesamten Spielstil. Er war ein sehr gefährlicher, torgefährlicher Mittelfeldspieler, körperlich gut, technisch stark. Er hat so viele Elemente miteinander verbunden."
Däbritz verkörpert diesen Box-to-Box-Stil, wenn sie das berühmte Trikot mit der Nummer 13 für Deutschland anzieht. Dank ihrer Antizipationsfähigkeit und ihrer Spielübersicht versteht sie es, gegnerische Angriffe zu unterbrechen und auf der anderen Seite bei Ballbesitz für Torgefahr zu sorgen.
Ihre Beidfüßigkeit, eines ihrer Qualitätsmerkmale, ist nicht vom Himmel gefallen. "Ich hatte das Glück, dass meine Trainer mich immer daran erinnerten, mit dem rechten Fuß zu trainieren. Denn als ich sehr jung war, hatte ich nur einen starken linken Fuß", sagt Däbritz heute. "Es ist ein großer Vorteil, wenn man beide benutzen kann, wenn man mit beiden passen und lange Bälle spielen kann. Vor allem im Mittelfeld, wenn ich mich aus engen Situationen befreien muss."
Deutschlands stimmgewaltige Vollstreckerin
Im Wettkampfmodus hat man das Gefühl, dass Däbritz ihren Gegnerinnen oft ein oder zwei Schritte voraus ist. Wenn sie einen Pass in der Abwehr erkennt, sich in den Raum dreht oder wenn sie mit Verzögerung in den Strafraum eindringt, um ein Tor zu erzielen. "Vieles ist reine Instinktsache", sagt Däbritz. "Im Mittelfeld gibt es eine Menge Vororientierung, so dass man weiß, was um einen herum passiert. Wenn der Ball kommt, überlege ich mir schon, was ich machen will. Wenn ich Zeit habe, versuche ich mich zu drehen, und wenn man unter Druck steht, versucht man, einen Ausweg zu finden. Für mich, muss ich sagen, kommt vieles automatisch."
Während sie abseits des Platzes entspannt und gelassen ist, ist sie auf dem Platz eine der Wortführerinnen im deutschen Team. Eine Autorität, die sie aus ihrer großen Erfahrung auf höchstem Niveau mit der Nationalmannschaft und im Vereinsfußball zieht.
Sara Däbritz lernte ihr Handwerk in Freiburg und gewann mit Bayern München den Bundesliga-Titel, bevor sie ins Ausland wechselte. In Frankreich half sie zunächst Paris Saint Germain, die 14-jährige Titelserie von Olympique Lyon in der ersten Liga im Jahr 2021 zu brechen, um dann selbst nach Lyon zu gehen. Jetzt spielt Däbritz dort an der Seite von internationalen Topstars wie Wendie Renard, Ada Hegerberg, Lindsey Horan und Ellie Carpenter.
Deutschland findet seinen Spielfluss
Seit mehr als einem Jahrzehnt pflegt Sara Däbritz ihre Siegermentalität. Genährt durch Erfolge, Erfahrung und das Umfeld, die starken Mitspielerinnen. Eine Siegermentalität, die nun bei der WM inAustralien und Neuseeland auch auf das Nationalteam abfärben soll. Beim Auftakt gegen Marokko hat sie diese eindrucksvoll unter Beweis gestallt. Auch wenn die Debütantinnen aus Nordafrika sicher kein fußballerisches Schwergewicht sind - 6:0 muss man erst mal gewinnen. Andere Favoriten haben sich da schon schwerer getan bei ihren ersten Auftritten bei dieser WM.
Jetzt lassen sich Parallelen ziehenzur EM 2022, als man Dänemark mit 4:0 schlug. "Letztes Jahr war das perfekte Beispiel", sagt Däbritz. "Wir hatten ein hervorragendes erstes Spiel, sind in den Spielfluss gekommen und konnten viel Selbstvertrauen in die nächsten Spiele mitnehmen. Das zeigt, wie wichtig dieses erste Spiel ist."
Die schwache Form der deutschen Mannschaft in der Vorbereitung wurde schnell überwunden, der Weg der Mannschaft scheint genau so zu verlaufen, wie Däbritz es sich wünscht. Mit einem EM-Titel und olympischem Gold in ihrem Lebenslauf braucht sie jetzt nur noch die WM-Trophäe, um die internationale Sammlung zu vervollständigen.
Der Fokus ist da, auch wenn sie sich noch keine Gedanken über zukünftige Gegner und Herausforderungen macht. "Es geht wirklich nur darum, in den Flow zu kommen, gute Spiele zu machen und sich weiterzuentwickeln", sagt sie. "Alles andere besprechen wir, wenn die Zeit reif ist."
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.